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DAB+: Zweiter Bundesmux im Rechtsstreit (2/4)

Digitalradio-Schriftzug ab 5/2107 Deutschland Ab 2016 kam es zu einem ernsthaften Anlauf für einen zweiten nationalen DAB+-Multiplex. Ende 2017 hatte das Konsortium Antenne Deutschland den Zuschlag der Medienanstalten und eine Zuweisung für eine Sendeplattform erhalten. Der unterlegene Bewerber Digital Audio Broadcasting Plattform (DABP) klagte. Die mehrjährige Auseinandersetzung endete im Januar 2020 mit einem außergerichtlichen Vergleich.

Die im Rennen um die Plattformlizenz unterlegene DABP des Leipziger Unternehmens Steffen Göpel klagte gegen die Zuweisung der Sendekapazitäten an Antenne Deutschland durch die Landesmedienanstalten.


Bundesmux 1: Programmangebot | Bundesmux 1 | Chronik


Das Verwaltungsgericht Leipzig begründete am 1. Juni 2018 in einem Nebenverfahren zunächst die „aufschiebende Wirkung“. Ein Erfolg für Göpel, da dadurch der kurzfristige Sendestart des zweiten Bundesmuxes bis nach dem letztinstanzlichen Urteil (nach einem möglicherweise jahrelangen Verfahren) verschoben wurde.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht sah das am 19. Dezember 2018 jedoch anders und hob die „aufschiebende Wirkung“ auf. Die Richter formulierten einen Leitsatz, der die Bedeutung der Rundfunks für die Gesellschaft, auch angesichts der Frequenzknappheit, über das Interesse des Klägers stellt. Zugleich zweifeln die Richter an, dass das bevorstehende Hauptverfahren eindeutig zugunsten der Klägerin DABP ausgehen kann:
Sind die Erfolgsaussichten einer Konkurrentenklage gegen die Zuweisung von rundfunkrechtlichen Übertragungskapazitäten nicht offensichtlich, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am vorläufigen Vollzug der Zuweisung der Übertragungskapazitäten gegenüber dem Suspensivinteresse eines in der Ausschreibung unterlegenen Unternehmens. Dies entspricht der gesetzlichen Wertung des § 51a RStV und dem hohen Gewicht des öffentlichen Bedürfnisses, die grundrechtlich, gesellschaftlich und gesamtwirtschaftlich bedeutsamen, nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehenden Rundfunkfrequenzen im Interesse der Allgemeinheit effektiv zu nutzen. Den Nachteilen, die dem unterlegenen Unternehmen hier aus einer vorläufigen Nutzung der Übertragungskapazitäten entstehen, kommt demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Antenne Deutschland hätte also nicht jahrelang auf ein letztinstanzliches Urteil warten müssen, um die Arbeitsaufnahme einzuleiten. Antenne Deutschland hatte im März 2018 erklärt, man werde mit den Vorbereitungen erst beginnen, wenn Rechtssicherheit besteht. Das heißt: „unmittelbar nach Bestandskraft einer entsprechenden Zuweisung“. Geschäftsführer Willi Schreiner hatte angesichts des Richterspruchs das Angebot von 2017 an DABP wiederholt, „dass Media Broadcast und Absolut Digital offen für weitere Partner sind, auch für DABP“.

Die Medienanstalten hatten kurz vor dem OVG-Spruch angedeutet, man wolle auf Grundlage des Urteils diskutieren, „ob es tunlich ist, im Verfahren vor das beanstandete Einigungsverfahren zurückzugehen oder eine neue Ausschreibung durchzuführen“. Ob eine solche Entscheidung nach dem für die Medienanstalten und Antenne Deutschland positiven Urteil zur aufschiebende Wirkung - und vor dem Hauptverfahren - einen Sinn macht, bleibe abzuwarten.

Antenne Deutschland kündigt Sendestart „bis Ende 2019“ an

Antenne Deutschland wollte die auf fünf Jahre geschätzte Verfahrensdauer bis zu einem rechtskräftigen letztinstanzlichen Urteil nutzen und setzte wohl auch auf ein Urteil zugunsten des Plattformbetreibers. Die Argumentation des OVG greift Antenne Deutschland auf: „Die Nutzung der zugewiesenen Plattformfrequenzen (ist) von großer gesellschaftlicher Relevanz. Ihr jahrelanges Brachliegen wäre unverantwortlich gegenüber Hörern, Programmanbietern und dem digitalen Radiostandort Deutschland.“

So war die Ankündigung des Konsortiums in einer Presseinformation von Ende März 2019 nur konsequent, den Sendebetrieb „bis Ende 2019“ beginnen zu wollen. Anläßlich der Funkausstellung vom 6. bis 11. September in Berlin - also drei Wochen vorab - könnte ein Testbetrieb einsetzen. Diese große Messe ist natürlich ideal für die Bewerbung eines solchen Vorhabens.

Am Vortag der offiziellen Mitteilung wurden Infos aus einem Schreiben von Antenne Deutschland an Radioveranstalter bekannt. Es geht etwas weiter ins Detail als die Presseinfo. Dort werden als Starttermin der 1. Oktober 2019 in Aussicht gestellt und weitere Eckpunkte genannt:
Gemäß den bisher bekannten Konzepten beansprucht Absolut Digital die Hälfte der Programmkapazität für eigene Spartenradios. Vorab wurden auch Neugründungen genannt, darunter ein Talkradio und eine Welle mit Usergenerated Content.
Antenne Deutschland will man weitere „vier bis sieben Sendeplätze“ an externe Veranstalter abgeben, heißt es intern. Entsprechende Verhandlungen sollen bis Ende April 2019 abgeschlossen werden. Öffentlich ist von einem Mux mit bis zu 16 Programmen die Rede. Spekuliert wurde bisher u.a. um Lulu.fm, Kinderradio Teddy, Rockantenne und die FFH-Jugendwelle Planet.
Wiederum - und gemäß der BNetzA-Vorgaben - ist von 71 Sendestandorten zum Start die Rede. Dieses Sendenetzkonzept ermögliche eine Versorgung Indoor von 80,4 Prozent und längs der Autobahnen von 90,1 Prozent. Grafik: Antenne Deutschland (klickbar).
Antenne Deutschland stellt einen Ausbau des Sendnetzes in Aussicht. Die Bundesnetzagentur hatte zwei weitere Ausbaustufen zwei bzuw. sechs Jahre nach Betriebsbeginn vorgegeben.

In der Pressemitteilung wird u.a. argumentiert, dass der zweite Bundesmux die letzte Möglichkeit bietet, Radio terrestrisch auf nationaler Ebene zu verbreiten. Die an dem „attraktiven Mix aus bis zu 16 zusätzlichen bundesweiten, neuen und etablierten Programmen“ beteiligten Veranstalter könnten ihre Reichweiten vergrößeren und ein attraktives Umfeld für Werbung aufbauen. Laufende Verhandlungen werden bestätigt. Das Interesse sei groß und man rechne damit, „vermutlich einige Programmbetreiber enttäuschen zu müssen“, heißt es weiter. Bis Ende April 2019 wollte Antenne Deutschland das Programmangebot unter Dach und Fach haben.

Urteil stellt Verständigungsverfahren infrage

Auf das ermutigende Urteil zur „aufschiebenden Wirkung“ folgte im Hauptverfahren ein Rückschlag für Antenne Deutschland und die Medienanstalten. Am 22. Mai 2019 urteilte die 1. Kammer des Sächsischen Verwaltungsgerichtes Leipzig, dass Antenne Deutschland erst nach Ende der Bewerbungsfrist gegründet wurde. Es handele sich also um ein neues Unternehmen, das nicht am Vergabeverfahren teilnehmen darf. Die Zuweisung an Antenne Deutschland sei folglich rechtswidrig. „Aus dem Verständigungsverfahren hervorgegangene Kooperationen einzelner Bewerber unter Anpassung und Änderung ihrer Bewerbungskonzepte – wie vorliegend bei der Beigeladenen zu beobachten – hätten deshalb außer Betracht zu bleiben“, so die Richter.

Das Verständigungsverfahren ergibt sich aus §51a Absatz 3 des Rundfunkstaatsvertrages (RfStV), wenn mehrere Bewerber um eine Plattform-Betreiberschaft konkurrieren.
Kann nicht allen Anträgen auf Zuweisung von Übertragungskapazitäten entsprochen werden, wirkt die zuständige Landesmedienanstalt auf eine Verständigung zwischen den Antragstellern hin. Kommt eine Verständigung zustande, legt sie diese ihrer Entscheidung ... zu Grunde ...

Das erstinstanzliche Leipziger Urteil unterstellt, diese gesetzliche Vorgabe „ziele auf eine Verständigung sämtlicher Antragsteller ab (...), die die Konkurrenzsituation im Ergebnis entfallen lasse“. Der §51a RfStV „begründe keine Statthaftigkeit von Teileinigungen von Bewerbern, die zu einem Hinausdrängen von Mitbewerbern führen könne“, interpretiert das Gericht den RfStV. Dort gibt es aber keine Vorgabe zur Ausgestaltung einer Verständigung.

Das Gericht sieht zudem weitere Verfahrensfehler und fordert, die Ausschreibung neu aufzurollen. dazu heißt es in der schriftlichen Urteilsbegründung:
Aufgrund der urchgreifenden Verfahrensfehler ist die Beklagte (hier die Medienanstalt SLM, dehnmedia) auf den Hilfsantrag der Klägerin (die DABP GmbH, dehnmedia) hin zu verpflichten, das Zuweisungsverfahren betreffend die Zuweisung drahtloser Übertragungskapazitäten für die bundesweite digitale terrestrische Verbreitung privater Hörfunkangebote im technischen Standard DAB+ erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführen.

Wohl auch, um das Verfahren zu beschleunigen, wurde neben der Revision beim Oberverwaltungsgericht auch die „Sprungrevision“ zugelassen. Dann wird das Obergericht übergangen und das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zuende gebracht. Dieses wird aber die Fakten nicht neu recherchieren, sondern die erstinanzlich ermittelten Tatsachen noch einmal juristisch bewerten.

Druck mit Millionenforderung

Steffen Göpel, Eigentümer der Klägerin DABP, drohte den Landesmedienanstalten parallel zu dem Rechtsstreit mit einer hohen finanziellen Forderung. Im Februar 2019 kündigte er in der Bildzeitung eine Schadensersatzklage um 103 Mio. Euro an. Wie die Forderung in dieser Höhe zustande kommt, bleibt unklar.

Wertungen

Die von den Leipziger Richtern vorgegebene Einigung aller Bewerber scheint völlig unrealistisch. Könnten die Interessen aller Bewerber tatsächlich zur Deckung gebracht werden, macht das Gegeneinander eines Wettbewerbs keinen Sinn mehr; das Verständigungsverfahren wäre im Prinzip überflüssig. Das Leipziger Urteil betrifft indirekt auch die Vergabe terrestrischer Frequenzen an Netzbetreiber, wofür gemäß §51.3 RfStV ebenfalls eine Verständigung vorgesehen ist. Bestätigt das letztinstanzliche Urteil den Spruch der Leipziger Richter würde eine Klarstellung im RfStV durch die Bundesländer erforderlich werden.

Hocherfreut ließ die DABP GmbH verlauten, dass die „die angekündigte baldige Aufschaltung bundesweiter Radioprogramme durch eine Plattform der ADG und einem Sendernetzbetreiber in Frage gestellt“ sei. Geschäftsführer René Laier erwartet, dass „nun schnellstmöglich eine in jeder Hinsicht öffentlich nachvollziehbare Vergabe der Lizenz“ erfolge.

Die schriftliche Urteilsbegründung erreichte die Kontrahenten erst Mitte August 2019. In die 30tägige Überlegungsfrist fiel die Funkausstellung, so dass Antenne Deutschland den Demobetrieb absagte.

Anfang Oktober 2019 teilten die Medienanstalten mit, mittels der Sprungrevision vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt...

Überraschende Einigung / Antenne Deutschland bleibt Plattformbetreiber

Die Streitenden SLM und DABP überraschten die Öffentlichkeit Ende Januar 2020 mit einer außergerichtlichen Einigung. „Die zeitnahe Bereitstellung von bis zu 16 neuen nationalen Hörfunkkapazitäten“ sei nun möglich. An der Vereinbarung hätten auch Antenne Deutschland und weitere Partner mitgewirkt.

Über den Inhalt der Abmachung öffnet die Pressemitteilung von SLM und DABP Spekulationen Tür und Tor. So wird Steffen Göpel für die DABP wie folgt zitiert: „Mit dieser Einigung sichern wir erhebliche ökonomische und publizistische Effekte die über Sachsen hinaus auf ganz Mitteldeutschland ausstrahlen.“ Wie das praktisch aussehen soll, bleibt aber offen. Sowohl die DABP als auch die SLM verweigerten tiefergehende Informationen.

Klar und bestätigt ist aber, dass Antenne Deutschland Betreiber der Sendeplattform bleibt. Mit Verspätung wurde durch eine den BLM-Medienratsvorsitzenden Walter Keilbart zwei interessante Details bekannt: „Die Kosten des Verfahrens werden im Übrigen von der Klägerin getragen und die verantwortliche sächsische Landesmedienanstalt (SLM) auch von etwaigen Schadensansprüchen freigestellt.“ Dieser Verzicht der Klägerin DABP - u.a. auf die geforderten bis zu 103 Mio. Euro für „Schadensersatz“ - scheint dafür zu sprechen, dass die DABP vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Erfolgschancen gesehen hat und sich mit der außergerichtlichen Beilegung aus der Affäre zog.

Sendestart erfolgt zur IFA 2020

Nachdem DABP die Klage alsbald formal zurückgezogen hatte, wurde die Zuweisung des Plattformbetriebes an Antenne Deutschland für den zweiten nationalen DAB+-Multiplex rechtskräftig. Das Unternehmen kündigte den Sendestart anlässlich der Funkausstellung 2020 an. Damit wird eine Auflage der Medienanstalten erfüllt, dies bis Ende 2020 zu tun.

Links zum Thema:
Weitere Details zum Bundesmux 2-Vergleich vom 13.2.2020.
Bundesmux 2 startet zur IFA 2020 vom 5.2.2020.
Überraschende Einigung beim 2. Bundesmux (1) und (2) vom 29.1.2020, (3) und (4) vom 30.1.2020.
Bundesgericht soll Rechtssicherheit schaffen vom 10.10.2019.
Bundesmux 2 bleibt weiter vor Gericht vom 7.10.2019.
Sprungrevision im Bundesmux2-Verfahren? vom 10.9.2019.
Bundesmux2-Probebetrieb zur IFA ist abgesagt vom 27.7.2019.
Warten auf Urteilsbegründung zum Bundesmux2 vom 31.5.2019.
Antenne Deutschland prüft Optionen vom 27.5.2019.
Bundesmux 2 - Information des Gerichts vom 24.5.2019.
Bundesmux 2 soll trotz Urteil im Oktober senden vom 24.5.2019.
Rückschlag für DAB+-Bundesmux 2? vom 23.5.2019.
Antenne Deutschland startet Website vom 1.5.2019.
Offiziell - Bundesmux 2 testet ab der IFA vom 29.3.2019.
Startet der Bundesmux 2 Ende 2019? vom 28.3.2019.
Göpel droht SLM mit 103 Mio.-Klage vom 14.2.2019.
Neue Chancen für den zweiten Bundesmux? vom 11.1.2019.
Rollback beim Bundesmux 2? vom 14.12.2018.
Beschwerde gegen Bundesmux-Urteil eingelegt vom 4.7.2018.
Antenne Deutschland stoppt Investitionen vom 7.6.2018.
Gericht schiebt Bundesmux 2 auf die lange Bank vom 4.6.2018.
Bundesmux 2 könnte 2019 senden, wenn ... vom 15.3.2018.
Bundesmux 2 mit Teilfrage beim OVG vom 19.2.2018.
Bundesmux 2 „wahrscheinlich“ erst 2019 vom 29.1.2018.
Klage gefährdet Bundesmux 2 vom 14.12.2017.
Bundesmux2 zum Zweiten vom 14.11.2017.
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