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DAB+ nach 10 Jahren: Bilanz 2021, Ausblick 2022

Digitalradio-Schriftzug ab 5/2107 Am 1. August 2011 begann ein neues Zeitalter für die digitale Hörfunkverbreitung in Deutschland. Erhebliche Verbesserungen des Terrestrik-Sendestandards DAB+ trugen ebenso zum Erfolg bei wie das 13 erstmalig bundesweit empfangbare Radiostationen. Die ARD baute ihre Sendenetze aus und Privatradios stiegen - wenn auch zunächst zögerlich - in fast allen Bundesländern ein. Nach gut zehn Jahren führt kein Weg mehr an DAB+ vorbei.

Bis Mitte 2021 hatten gut 30 Prozent der deutschen Haushalte Zugriff auf mindestens ein Radio mit DAB+-Empfang im Heim oder im Auto. Allein zwischen Januar und September 2021 wurden in Deutschland rund 1,2 Mio. DAB+-Radios verkauft. Weltweit hatten bis dahin rund 110 Mio. DAB+-Radios den Handel durchlaufen.

Die Umsetzung der europaweiten Hybridtuner-Pflicht für Heimempfänger mit Stationsanzeige und Radios in Neuwagen schiebt den Geräteabsatz an - aber erst seit Ende 2020. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über den Rundfunkbeitrag haben die neun Landesrundfunkanstalten und Deutschlandradio wieder volle Entscheidungsfähigkeit über ihrer Finanzen. Das wirkt sich auch auf den weiteren Ausbau der digitalen ARD-Sendenetze und des Bundesmuxes 1 positiv aus.

Neue Strategie: Mit DAB+ bei den Nachbarn von sich hören lassen

Nicht zuletzt spricht, neben den 28 bundesweiten Radiowellen, das Programmangebot auf und unterhalb der Länderebene für DAB+. Unter den insgesamt rund 300 Programmen, davon 100 exklusiv digital, mag Vieles sein, was den oder die Eine/n oder Andere/n nicht interessiert. Unterm Strich bietet DAB+ aber in fast allen Bundesländern mehr als UKW.

Den Bundesländern weit voran ist Bayern. Dass dort seit dem Frühjahr 2021 alle UKW-Privatradios einen parallelen Platz auf DAB+ haben spiegelt sich in Bestwerten der Hörernutzung und des Geräteverkaufs im Freistaat wider. 2021 nahmen Multiplexe in NRW, dem Saarland und Thüringen den Sendebetrieb auf. Weitere Multiplexe sind in Vorbereitung bzw. ausgeschrieben. In den Bundesländern, wo sich die Privatradios bisher eher reserviert verhalten hatten, nehmen die Kommerzradios das bisher verkannte Potenzial von DAB+ zur Kenntnis und können sich der digitalen Terrestrik nicht entziehen.

Neue Strategie: Mit DAB+ bei den Nachbarn von sich hören lassen

Weil die UKW-Frequenzen ausgeschöpft und die darüber erreichbaren Stammmärkte aufgeteilt sind ist UKW für kreative neue Sendekonzepte nicht geeignet. Eine Weiterentwicklung von Radioveranstaltern - die Umsetzung neuer Ideen, um neue Hörergruppen anzusprechen und so zusätzliche Werbeumsätze und Gewinne zu generieren - ist nur außerhalb des eigenen UKW-Sendegebietes und keinesfalls über UKW möglich.

Eine solche Strategie kann im Internet und mit DAB+ erfolgreich umgesetzt werden. Das Potenzial der terrestrisch nur mit DAB+ realisierbaren nationalen Verbreitung ist mit 29 Programmen in den beiden Bundesmuxen inzwischen verteilt. Weitere nationale DAB+-Muxe wird es nicht geben. Das Gros der Programmplätze im Bundesmux 2 sicherten sich der Plattformbetreiber Antenne Deutschland und eine seiner Partnerfirmen. Ende 2021 ist nur ein Programmplatz noch zu vergeben.

Andere Interessenten an einer Erweiterung ihrer Einzugsbereiche weichen daher auf landesweite oder regionale Multiplexe in anderen Bundesländern aus. So sendet das Berliner Schlagerradio in fast allen Privatradio-Ensembles. Ähnliche Strategien praktizieren u.a. Radio Teddy aus Potsdam oder Radio Holiday der Radio Group.

Schlußlichter: Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen

Auch die großen Privatradios Niedersachsens suchen neue Hörer-Potenziale in Nachbar-Bundesländern. Trotz eines fatalen und unsinnigen Anti-DAB+-Kotaus des Landtags von 2019 zugunsten der Mobilfunk-Lobby haben sich die dortigen Privatradios jetzt offenbar gegen Landtag und Landesregierung durchgesetzt. Eine Novelle des Mediengesetzes soll die Tür für die Verbreitung von FFN usw. über DAB+ auch in deren Heimatbundesland öffnen. Man darf gespannt auf die Ereignisse in 2022 sein.

Besonders schwierig ist die Situation im am Dünnsten besiedelten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Folglich ist das UKW-Angebot - über die zwei landesweiten UKW-Privatradios hinaus - bescheiden. Weil die Landesregierung seit Jahren Förderungen blockiert, ist für sie die Finanzierung des UKW/DAB+-Simulcasts nicht machbar. Auch nicht gemeinsam mit weiteren Stationen, die obendrein die Wettbewerbssituation zum Nachteil der Etablierten ändern würden. Veranstalter Regiocast verordnete der 1993 gegründeten Antenne MV quasi die Flucht nach vorn, nämlich den Namen seines bundesweiten Musikkanals 80s80s. Als 80s80s MV sendet man über die UKW-Kette von Antenne das Landesprogramm weiter.

Dennoch steht das Ostsee-Bundesland nicht ganz ohne Initiative da: Der Verein Kulturnetzwerk bereitet für Rostock einen Stadtmux mit Small Scale Technik vor. Die Plattform darf laut Zulassung jedoch nur nichtkommerzielle Radiosender aufnehmen. Dafür kommt in Rostock einzig das vom Kulturnetzwerk veranstaltete Freie Radio LOHRO in Frage. Wenig wahrscheinlich ist, dass nichtkommerzielle Radios anderer Städte die zusätzlichen Kosten finanzieren können - abgesehen davon, dass Rostock nicht zu den Gebieten gehört, für deren Menschen sie Radio machen.

Formatradios, Computerdiskos, Verzicht auf Redaktionelles

Nicht alles ist Gold, was Glanz für sich beansprucht: Die Vielzahl der Programme zeigt Grenzen vor allem des Hörer- und Anzeigenmarktes auf. Niemand kann mehr als einen Sender (und die dort verbreitete Werbung) auf einmal hören. Das Hörerpotenzial, die Zuhörerzahlen und die Hördauer steigen nicht mit der Zahl angebotener Programme. Es findet nur eine Umverteilung der Hörerschaft - und damit auch der Webeumsätze - statt. Und: Wieviel Schlager-, 80er Jahre- usw. Formate verträgt der Markt?

Dessen eingedenk versuchen etliche Veranstalter ihr Glück mit einer Billig-Strategie. Sie setzen auf das automatisierte Abspielen von Musiklisten, basierend auf Genre-Datenbanken und Statistiken über Musikvorlieben bestimmter Alters- und Zielgruppen. Im ausdrücklichen Verzicht auf journalistische Inhalte profiliert man sich - mitten in der Corona-Pandemie - gerne auch als „Wohlfühl-“ oder „Gute Laune-“ Wellen. Die Hörer werden von der kompetenten Information über gesellschaftliches Geschehen abgekoppelt.

Manche Konzepte waren nicht erfolgreich: Ein für den Bundesmux 2 schon akquiriertes Hand- und Heimwerkerradio wurde während der Entwicklung abgebrochen. Radio Germany One mit einem auf Inhalte für englischsprachige Gäste der Haupstadt orientierten Konzept kam nicht über eine Automaten-Disko hinaus.

Werberadios unter falscher Flagge

Dieser Veranstalter verbindet für einen neuen Sender (der in Berlin Germany One ersetzen soll) das „Gute Laune“-Thema mit dem des Urlaubs und bietet sich entsprechend den Hörer und der Werbebranche an.

Auf dieser Welle schwimmt Aida Radio, das für einen weiteren Trend zu stehen scheint: „Redaktionelle“ Beiträge dienen wesentlich der Bewerbung eigener Produkte und Dienstleistungen (in dem Fall: Kreuzfahrten), ohne dass die Hörerschaft über diese werbliche Aufgabe des gesamten Programms informiert wird. Auch für ein Brillux Radio wurde bei der Medienanstalt NRW eine Zulassung beantragt: Farben, Lacke, Handwerkerei etc. als Thema eines ganzen Radiokanals? Oder einfach nur: (Eigen-)Werbung unter falscher Flagge?

Politik muss DAB+ über 2030 hinaus sichern

Das von etlichen Radioveranstaltern als strategisches Nonplusultra der Radiozukunft gefeierte Internet ist gerade für die viel beschworene mobile Nutzung, etwa im Auto, unbrauchbar. Daran verdienen nur die Mobilfunkanbieter, die den Zugang reglementieren könnten. Allein zwecks des Investitionsschutzes der Radioanbieter, der Sendetechnik und nicht zuletzt der Hörerschaft sowie unter dem Aspekten der europaweiten Kompatibilität von Verbreitung und Empfang muss DAB+ über die bisherigen Zusagen hinausgehend auch nach 2030 gesichert werden.

Sollte für die Nachfolge von DAB+ auf 5G Broadcast gesetzt werden, müssen alle Radioprogramme, ob privat oder öffentlich-rechtlich, weiter für jeden frei zugänglich und kostenlos empfangbar bleiben. Grundverschlüsselungen bzw. jedwede Art von „Wegezoll“ sind gesetzlich zu unterbinden.

Verzicht auf UKW nutzt der Umwelt

Ob DAB+ oder 5G Broadcast: Beides macht nur Sinn, wenn UKW schrittweise aus dem Sendeverkehr gezogen wird. So verwirklicht der Hörfunk einen signifikanten nachhaltigen Beitrag zum Umweltschutz. Deutschlandradio hat bereits auf etliche UKW-Standorte verzichtet, kann diesen Weg aber nicht allein gehen. Die Ausschreibungen frei werdender UKW-Frequenzen müssen beendet werden. Diese können an andere Dienste abgegeben werden.

Für Notfälle und Krisen muss die Politik die Möglichkeiten des Rundfunks gebührend zur Kenntnis nehmen und Verfahren á la EWF in die Warnsysteme der Behörden integrieren und notwendige Implementierungen auf der Empfangsseite gesetzlich vorgeben.

Noch ein Wort zum Fernsehen

Mit einiger Spannung darf man erwarten, wie sich die neue „Ampel“-Bundesregierung zur Nutzung der UHF-Frequenzen positioniert - und damit in erster Linie zur Zukunft von DVB-T2 HD. Das betrifft auch die Umsetzung der Ankündigungen in der Koalitionsvereinbarung, den UHF-Rest für Fernsehen und Kultur zu erhalten. Wie das mit einem Digitalminister Wissing gelingt, bleibt abzuwarten; man erinnere sich an den digitalfeindlichen Antrag seiner niedersächsischen FDP-Freunde.

Das geschah 2021, das ist 2022 zu erwarten

Hier einige Schlaglichter zu den Ereignissen des Jahres 2021 und dem für 2022 erwarteten Ausbau des Programmangebots und der Sendenetze.
Bundesmux 1: Die neue Planung verschiebt den Netzausbau von 149 (Ende 2021) auf 155 Standorte auf einen Zeitraum ab April 2022.
Bundesmux 2: Ein Jahr nach Sendebeginn startete der Radiosender des Kreuzfahrtunternehmens Aida als Programm Nr. 15. Der letzte - ursprünglich für Absolut Digital reservierte - Platz harrt weiter der Belegung. Die BNetzA-Liste enthält rund 70 potenzielle Senderstandorte. Ausbaupläne der Plattform sind nicht bekannt.
Baden-Württemberg: On Air Support, seit August 2020 Sendenetzer des Privatmuxes, erweiterte das Verbreitungsgebiet, für das 2022 3 neue Regionen angekündigt sind. Der SWR plant vier neue Senderstandorte. Seit die „Bürgermedien“ 2019 aus dem DAB+-Ensemble gestrichen wurden, wird über lokale Muxe für NKLs und ein Regionalkonzept für kommerzielle Sender spekuliert.
Bayern: Die BLM reduzierte von 4 auf 3 Plätze für landesweite Programme in den 6 BDR- Muxen. Eine Vorentscheidung zu einem landesweiten Multiplex der Privatradios wird erwartet. Der BR baut seine Sendenetze weiter aus.
Berlin, Brandenburg: Nach neun Bewerbungen für drei Programmplätze im Zweiländer-Mux (Block 12D) und vor dem Hintergrund von zwei zurückgegebenen Zuweisungen wurden im November 2021 fünf Zuweisungen vergeben. Die Sendestarts stehen aus.
Hamburg: Media Broadcast bereitet die zweite DAB+-Plattform der Hansestadt vor. Der Sendestart ist offen: Legt ein unterlegener Bewerber Rechtsmittel ein?
Hessen: Mit dem niedersächsischen Radio Bollerwagen sendet seit Kurzem das 12. Kommerzprogramm im Rhein/Main-Mux. Gerüchte betreffen eine Regionalisierung von Radio FFH wie auf UKW.
Mecklenburg-Vorp.: Der Verein Kulturnetzwerk plant den ersten deutschen nichtkommerziell betriebenen Kleinleistungssender für Rostock mit dem Freien Radio LOHRO. Kommerzielle Radios sind weiter nicht in Sicht. Der NDR hat für 2022 drei Senderanlagen im Bauplan.
Niedersachsen: Der Landtag bereitet - entgegen des Anti-DAB+-Beschlusses von 2019 - die Novelle des Mediengesetzes vor, wodurch ein landesweiter Mux, den Privatradios fordern, 2022 ausgeschrieben werden könnte. Der NDR kündigt fünf neue Sendeanlagen an.
Nordrhein-Westfalen: Unabhängig vom langem Boykott der Lokalradios startete Ende Oktober ein voll belegter landesweiter Mux. Interessenten aus anderen Bundesländern mussten NRW-Inhalte garantieren, was zur Gründung von regionaler Tochterfirmen führte. Der WDR plant eine neue Senderanlage.
Rheinland-Pfalz: Um einen landesweiten Versuch mit vier regionalen Plattformen haben sich vier Unternehmen beworben. Ein SDR-Sendekonzept soll Lokalradios kostengünstig auf DAB+ bringen. Das ebenfalls auf Open Source basierende Lokalensemble Bad Kreuznach startete im April in einen fünfjährigen Test; sieben Programme sind on air. Der SWR plant fünf neue Antennen.
Saarland: Nach Neuvergabe der Sendeplattform startete eine Plattform mit 15 von 16 Stationen im November zunächst für Saarbrücken. Der Sender Spiesen ist für 2022 angekündigt. Für ein seit 2017 orakeltes lokales Angebot für Merzig ist keine Bewegung erkennbar.
Sachsen: 37 Programme meldeten sich auf eine Ausschreibung der SLM: Neben einem landesweiten Mux (9 Meldungen) steht eine zweite landesweite Bedeckung, regionalisiert für die Großräume Leipzig (14), Chemnitz (15) und Dresden (15), zur Disposition. Für Dresden (8) wurde auch lokal ausgeschrieben. Wann der Lokalmux für Chemnitz startet ist weiter offen.
Sachsen-Anhalt: Aus der Regierungspartei CDU verlautet, dass die im Mediengesetz bislang auf Ende 2025 festgelegte UKW-Abschaltung verschoben oder gestrichen wird. Der MDR erweiterte sein Sendenetz um 5 Antennen und versorgt Indoor 93 Prozent der Bevölkerung und mobil über 98 Prozent der Fläche.
Schleswig-Holstein: Die drei lokalen Modellversuche laufen Ende 2022 aus. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung dürften Impulse für eine Testverlängerung oder einen Regelbetrieb geben. Der NDR plant zwei neue Sendeanlagen.
Thüringen: Für den Großraum Erfurt/Weimar brachte Plattformbetreiber Divicon Media nach langwieriger Frequenzzuteilung den Privatradio-Multiplex am 27. Oktober mit fünf Programmen auf Sendung. Von weiteren Programmen „bis Ende des Jahres“ ging nur ein weiteres auf Sendung.



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