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DAB+: Schweiz im Vorfeld des UKW-Ausstiegs | |
Die Schweiz wird nach Norwegen (Anfang 2018) als weltweit zweites Land bis Anfang 2024 aus UKW aussteigen und setzt terrestrisch auf DAB+. Das vereinbarten die Branchenteilnehmer miteinander. Die Eidgenossen-Regierung flankiert das: UKW-Konzessionen gelten nur bis Ende 2024.
Die Rundfunk-Versorgung ist in der Schweiz an den vier Sprachgebieten des Landes orientiert. Die SRG ist als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt in den deutsch-, italienisch- und französischsprachigen sowie rätoromanischen Landesteilen mit regionalisierten Inhalten in den jeweiligen Sprachen präsent. Für diese Versorgungen wurden eigene Netz aufgebaut. In fünf Regionen strahlt Swiss Mediacast unterschiedliche Ensembles mit Privatsendern aus. Der Anbieter RMS versorgt die Westschweiz mit Privatradios. Natürlich gibt es zahlreiche private Sender, die - abgesehen von der Sprache - ein lokales Publikum, unerschiedliche Musikrichtungen usw. adressieren.
Gute Voraussetzungen für UKW-Ausstieg
Seit dem Jahr 2000 und bis Ende 2020 wurden in der Schweiz (8,6 Mio. Einwohner) rund 5,07 Mio. DAB/DAB+-Radios verkauft. Im Schnitt besitzt jeder Privathaushalt 1,5 DAB+-Radios. Fast alle Neuwagen sind damit ausgestattet.
DAB+ war Ende 2020 der von den Hörern meistgenutzte Radio-Verbreitungsweg - 73 Prozent des Radiokonsums entfielen auf digitale Ausspielwege. Darunter stellt DAB+ mit 41 Prozent der gesamten Zuhörzeit
den größten Anteil. Ausschließlich über UKW hörten zeitgleich nur noch 12 Prozent der Befragten Radio; ihre Hörzeit liegt bei 27 Prozent des Gesamtwertes.
Ohne UKW ab Anfang 2024
In der Schweiz ist das Ende von UKW zugunsten von DAB+ im Prinzip bereits seit 2014 zu erwarten: Im August 2023 wird das die öffentlich-rechtliche SRG vollziehen. Die Privatradios folgen im Januar 2023.
Dies vereinbarten der Verband Schweizer Privatradios (VSP), die Union Romande des Radios Régionales (RRR), die Union nicht-gewinnorientierter Lokalradios (Unikom) und die SRG im August 2020. Bis Ende des Jahres hatten dem die Mitglieder dieser Privatradio-Verbände zugestimmt.
Bereits 2017 hatte die Schweizer Regierung, den klaren Trend vor Augen, DAB+ zum Hauptverbreitungsweg für das Radio ab 2020 erklärt. Seinerzeit lag die Radionutzung über alle digitalen Plattformen bei 57 Prozent; die UKW-Nutzung war auf 43 Prozent abgesackt. Damit war klar, wohin sich die terrestrische Rundfunkverbreitung bewegt. Zeitgleich wurde die Werbung von der Darstellung der Systemeigenschaften, Programmvielfalt usw. durch neue Motive unter dem Schwerpunkt-Thema „Radio zieht um auf DAB+“ ersetzt.
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Motive der Umzugs-Kampagne. |
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Schweizerische Spezialitäten (1): Small Scale DAB+
Eine Besonderheit sind die lokalen Sendenetze der Digris AG. Die technische Grundlage von Software Defined Radio (Small Scale DAB+) nutzen lokale und nichtkommerzielle Radios DAB+, um kostengünstig - und weit über die Kapazitäten von UKW hinaus - auf die terrestrische Verbreitung aufzuspringen. So sind sie nicht nur mit Computern, sondern ohne Netzgebühren mit Radios zu hören. Die Programme können eine größere Hörerschaft ansprechen. Mitte 2021 betreibt Digris 16 Sendeinseln; zwei weitere sind geplant.
„Die neue Technologie der Digris AG kostet ein Radio durchschnittlich 2.000 Franken (1.846 Euro) pro Jahr und Region“, hatte Digris zu den Kosten mitgeteilt. „135.000 Franken (125.000 Euro) musste ein Lokalradio bislang hinblättern, um eine Region auf DAB+ abzudecken.“ Die UKW-Kosten dürften weit darüber liegen. Nicht nur weil die befristete hohe Förderung der Sendekosten schon eingerechnet wurde. Ohne Förderung wären um 10.000 Franken (rd. 9.231 Euro) jährlich zu kalkulieren. Im Vergleich mit den Kosten für einen Platz in den üblichen
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Die überregionalen (oben) und lokalen Multiplexe. Stand: Mai 2021 (klickbar. Quelle: DAB+-swiss). |
Multiplexen, die mit leistungsstarken Sendeanlagen auf eine eher großflächige Versorgung zielen, ist das sehr günstig und im Vergleich mit UKW ohnehin konkurrenzlos.
Die Geschäftsidee von Digris wurde Vorbild in anderen Ländern. So läuft derzeit ein Pilotprojekt in Baden Württemberg (Rheinland-Pfalz). In Großbritannien sind SDR-Muxe für knapp 50 Regionen vorgesehen. Im Juni 2021 waren 15 Netze vergeben, weitere 22 Ausschreibungen laufen. Eine weitere Digris-Idee steht noch am Anfang: Zielgerechte Platzierung von Werbegrafiken auf (Auto-)Radios mit geeigneten Displays.
Schweizerische Spezialitäten (2): DAB+ für digitales Kabelradio
Eine andere Besonderheit ist die Nutzung von DAB+ für die Radioverbreitung in Kabelnetzen. Die Kabelnetzer UPC, eine Tochter von Liberty Media, agiert landesweit und hatte Ende 2019 1,04 Mio. TV-Kabelkunden. In vier an den Sprachräumen orientierten Netzen werden mit eigenem Logo (Grafik rechts) jeweils mehr als 20 Radioprogramme mit DAB+ angeboten. In Lausanne und Umgebung vermarktet der Netzbetreiber Citykabel knapp 90 Programme mit DAB+ zudem für kostenpflichtige Digitalradiopakete.
Dafür sind allerdings proprietäre Radios erforderlich, weil für das Kabel-DAB+ Frequenzen oberhalb des Blocks 12 genutzt werden. Diese stehen terrestrisch für DAB+ nicht zur Verfügung; z.B. sind diese Frequenzen in Deutschland für das Militär reserviert. Die DAB+-Tuner der meisten Radios für den internationalen Markt sind für diesen Frequenzbereich daher nicht ausgelegt. Wer auf Kabelradio wert legt, muss bei seinem Netzbetreiber ein spezielles Kabelradio erwerben.
Schweizerische Spezialitäten (3): Alle Radios in die Tunnels
Viel weiter fortgeschritten als in Deutschland ist die Ausstattung der Tunnels. In fast allen Tunnels der Nationalstrassen arbeiten inzwischen DAB+-Repeater. Obwohl es einen Mangel bei den Kantonstrassen-Tunnels zu geben scheint, ist das ein erheblicher Fortschritt vor allem für die Privatradios. Denn über UKW sind nur zwei Privatsender in wenigen Tunnels zu hören, darunter dem Gotthard- und dem Seelisbergtunnel. Im Juni 2021 standen hingegen in den meisten der 216 von 226 erfaßten Autobahn-Tunnels zumeist drei bis vier Ensembles zur Verfügung.
Apropos Werbung: Eine schöne Werbe-Idee wurde 2012 praktiziert, soweit bekannt erstmals in der Schweiz. Man übergab Schulklassen Technikbausätze für DAB+-Radios mit dem Auftrag, ein Gehäuse zu gestalten und zu bauen. Diese Idee, über die Schulen auf DAB+ aufmerksam zu machen, handwerkliches Interesse zu wecken, übernahmen später die Landesmedienanstalten Bayerns und Sachsen-
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DAB+ in Schweizer Tunnels. Eine Belegungsliste Stand 5/2021) bietet dab-swiss zum download. |
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Die Wettbewerbssieger von 2012 (Archiv dehnmedia). |
Anhalts für eigene Schüler-Wettbewerb.
Dass im Übrigen ein einzelner Anbieter DAB+ vehement und mit teils wenig streitbaren Aussagen bekämpft, wird die Karawane in Richtung digitaler Radio-Terrestrik nicht aufhalten. Gleichwohl kam die Regierung dem entgegen: Die UKW-Konzessionen werden Ende 2024 auslaufen. Eine Gnadenfrist also für den letzten UKW-Fan.
Vorgeschichte
Der schon länger angepeilte Verzicht auf die analoge UKW-Verbreitung hat seine Wurzeln 1999, als die SRG eine Konzession für ein DAB-Netz bekam. Erste Sendungen begannen 1999/2000 und das Sendenetz wurde bis 2009 schweizweit ausgebaut. Seit 2007 waren dort erste private Radiosender zu hören. 2015 begann (bis 2016) die Umstellung vom alten DAB auf den effektiveren Nachfolgestandard DAB+. 2009 gründeten die SRG und Privatradios den Netzbetreiber Swiss Media Cast (SMC), mit dem Ziel DAB+-Multiplexe für die Deutschschweiz und Teile der rätoromanischen Schweiz zu betreiben.
Als in Deutschland 2011 DAB+ neu gestartet wurde, stoppte die Schweizer Regierung die Vergabe neuer UKW-Frequenzen. UKW-Ressourcen wurden nur noch verlängert und neue DAB+-Blocks vergeben. Das wurde u.a. mit der hohen Digitalisierung und mit den Kosten für UKW-Netzumbauten begründet.
Die Angebote bzw. Zahl der Ensembles in den vier Sprachregionen wurde seit 2013 durch SRG und SMC erweitert. Dann stieg die Digris AG mit einem neuen Konzept als Netzanbieter ein: Lokale Versorgungen sollen nach dem SDR-Konzept - u.a. mittels Open Source-Software - kostengünstig kalkuliert werden. Als erste Sendeinsel ging 2014 Genf auf Sendung.
Weitere Infos:
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