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Digitalradio: DAB+ landesweit in Rheinland-Pfalz (1/2)

Digitalradio-Schriftzug ab 5/2107 Im Vorsitzland der Rundfunkkommission der Bundesländer war das bundesweit erste landesweite Ensemble mit kostengünstigem SDR-Technikkonzept geplant. Eine Ausschreibung für diesen Modellversuch erfolgte im Oktober 2021. Statt der Vergabe der Plattform kassierte die Landesmedienanstalt RLP fast genau ein Jahr später die Ausschreibung.

Die Privatradios RPR1, RocklandRadio und BigFM gastieren seit Langem beim DAB+-Mux des SWR. Währenddessen entwickelte die damalige Medienanstalt LMK mit der Hochschule Kaiserslautern einen transportablen Kleinleistungs-Sender auf Basis von Small Scale DAB+ und dem SDR-Konzept. Dieser kam seit 2015 mehrfach testweise zum Einsatz und wurde 2018 nach Belgien vermietet.


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2018 hatte LMK-Direktor Marc-Jan Eumann eine DAB+-Einführung ab 2020 orakelt. Oft genug braucht sogar die beste Absicht mehr als nur „etwas“ länger ...

Auf der Basis von Small Scale und SDR konzipierte Milling Broadcast ab 2017 einen Kleinleistungssender für Bretzenheimer Lokalsender Domradio Studio Nahe und das Sendegebiet Bad Kreuznach. Zunächst geduldet und dann zum Versuch aufgewertet wurde das Projekt ab April 2021 um fünf Jahre verlängert. Als Versuchsplattform definiert können nun mehr Programme - im September 2022 waren es neun - verbreitet werden.

DAB+ Landesweit, aber - Überraschung - mit SDR

Dann kam die Überraschung: Im Oktober 2021 schrieb die zur MA RLP umgetaufte Medienanstalt DAB+ landesweit aus. Und zwar nicht eben nur in vier Senderegionen sondern als Versuchsprojekt mit einem sendetechnischen Konzept auf Grundlage des SDR-Prinzips. Dieser Versuch sollen mit fünfjähriger Laufzeit zeigen, „wie ein regulärer Betrieb von
landesweiten DAB+-Versorgungen mittels weitest gehendem Einsatz von Open Source Software und handelsüblicher Hardware zuverlässig und kostengünstig durchgeführt werden kann“, so die Ausschreibung. „Kostengünstig“ ist natürlich das Stichwort für die lokalen UKW-Radios und weitere Stationen, die „zu angemessenen Bedingungen“ ins Ensemble aufgenommen werden sollen.

Die Ausschreibung nennt vier Versorgungsgebiete, wobei die ursprünglich getrennten Süd-Regionen Westpfalz und Rheinpfalz zusammengefasst wurden. Die Blocks 5D für Koblenz, 10A für Trier, 10B oder 12A für Rheinhessen und 12A oder 10B für Pfalz seien „als denkbar identifiziert“, kommentiert die MA RLP. Denn das Frequenzpaket ist zum Zeitpunkt der Ausschreibung von der Bundesnetzagentur noch nicht bestätigt worden.

„Unmittelbar nach Lizenzierung“ und der Frequenzzuteilung durch BNetzA
Fünf Oberzentren in vier Versuchsregionen.
Grafik: MA RLP (klickbar).
soll der Netzaufbau beginnen. „Innerhalb von 15 Monaten“ sind 70 Prozent der Bevölkerung indoor zu versorgen. Ein früheres Technikkonzept ging von 17 bis 18 Senderstandorten für eine solche Versorgung aus.

Vier Bewerber / Privatradios gründen eigenen Sendedienstleister

Zwei der vier Bewerber um den Plattform-Betrieb kommen aus dem Bundesland.
Im Sommer 2021 wurde eigens die Digitalplattform der lokalen Rundfunkanbieter in RLP GmbH gegründet. Der Registereintrag nennt den Geschäftszweck: „Installation, Betrieb, Entwicklung und Vermarktung im technisch-organisatorischen Bereich der Content-Distribution (DAB+-Plattformbetrieb, Betrieb von UKW-Sendern, Audio-/Video-Streaming, Internetverbindungen, drahtgebundene und drahtlose Übertragungstechniken), insbesondere zur Sicherung des lokalen Rundfunks in Rheinland-Pfalz.“ Teilhaber sind laut der Medienanstalt Antenne Mainz (50 Prozent), Radio Group (40 Prozent) und Antenne Koblenz (10 Prozent). Eine Presseinfo nennt im März 2022 elf beteiligte Lokalradios, die sämtlich der Radiogroup zuzurechnen sind. Mit Divicon Media sei bereits der Aufbau der Sendetechnik vereinbart.
Am zweiten Bewerber aus dem Bundesland, der AB Audio Broadcast GmbH, sind Antenne Bad Kreuznach, CityRadio Saarland und Christian Milling zu je einem Drittel beteiligt. Christian Milling ist Betreiber der Bad Kreuznacher DAB+-Plattform und anderer Projekte und ein Open Source-Pionier in Deutschland.
Landesweite Erfahrungen im Nachbar-Bundesland hat seit Dezember 2020 die On Air Support GmbH, die das Sendenetz für das DAB+-Ensemble der baden-württembergischen Privatradios betreibt.
Die Uplink Network GmbH ist eine der drei großen Fachfirmen für den Senderbetrieb im Radiobereich. Das Unternehmen betreibt u.a. DAB+-Sendeanlagen für den 2. Bundesmux und den landesweiten NRW-Mux.

Plattformvergabe braucht Zeit

Die Medienanstalt hatte eine Entscheidung über die Plattform bereits für den 6. Dezember 2021 in Aussicht gestellt. Möglicherweise durch unterschiedliche Erfahrungen und Konzepte der vier Bewerbungen überrascht wurde davon abgesehen. Zunächst lässt die MD RLP die „technische Machbarkeit“ der technischen Konzepte durch die Bundesnetzagentur prüfen. Aufgrund des Ergebnisses soll die Vergabe entschieden werden. Bis dahin bleibt offen, ob alle vier Regionen an einen einzigen Bewerber vergeben oder auf mehrere Anbieter verteilt werden.

Mit einem schnellen Sendebeginn war ohnehin nicht zu rechnen, da die Bundesnetzagentur die vorgeschlagenen Frequenzen nach einer Prüfung zur Verfügung stellen muss. Nicht zuletzt muss der Vergabe ein Einigungsverfahren vorangehen, in dem den Bewerbern Gelegenheit zu geben ist, z.B. Allianzen miteinander einzugehen. Erst dann - oder wenn keine Einigung zustande kommt - darf die Landesmedienanstalt ihre Entscheidung treffen.

Programme mit regionalem Schwerpunkt erwartet

Der regionale Schwerpunkt der Ausschreibung schließt natürlich keine Bewerber aus, die ihre Programme in mehreren oder allen vier Gebieten verbreiten lassen wollen. Den drei „Gästen“ des SWR-Ensembles kommt die Vierteilung des Sendegebietes wahrscheinlich aus verschiedenen Gründen entgegen. RPR1 könnte dann erstmals seine Regionalsendungen über DAB+ verbreiten, wenngleich diese Versorgungsgebiete nicht mit den UKW-Pendants übereinstimmen. Für das landesweit ausgerichtete BigFM und Rockland Radio bringt DAB+ so oder so eine Erweiterung des Sendegebiets. Auf der neuen DAB+-Plattform ein Preisvorteil ergeben, auch wenn deren Sendegebiet kleiner dürfte als das des SWR. Vielleicht steigen die „großen Drei“ des Bundeslandes aber auch erst auf die Plattform, wenn der Regelbetrieb kommt und die Kosten (im Verhältnis zum Versorgungsgebiet) günstiger sind als beim SWR.

Überraschung im September 2022: Die Ausschreibung wird aufgehoben

Überraschend stoppte die - just neu zusammengesetzte - Versammlung der MA RLP das Vorhaben Ende September 2022 und hob die Ausschreibung zu einem Zeitpunkt formal auf, zu dem eigentlich die Vergabe erwartet wurde. Mitgeteilt und begründet wurde das erst auf Anfrage mit den Erfahrungen der Umweltkatastrophe im Sommer 2021 und dem Wunsch, über die Verbreitung von Warnhinweisen hinaus „einen breiteren Ansatz zu wählen und weitere technische Möglichkeiten wie DAB-EWF oder andere ähnlich wirksame, innovative Ansätze mit in eine Ausschreibung aufzunehmen“.

Erst Ende 2022 wurde EWF in Rheinland-Pfalz also offiziell ins Gespräch lanciert, obwohl dieses Verfahren seit Jahren in der Branche bekannt ist. Für die bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung naheliegende Einbeziehung von EWF brauchte die Versammlung der MA RLP zehn Monate und eine Neubesetzung! Spielten parteilpolitische Animositäten der SPD-geführten RLP-Landesregierung eine Rolle, das in Bayern lange vor dem Unglückssommer 2021 ausführlich erprobte und vom CSU-regierten Land unterstützte EWF-Verfahren begrifflich auszusparen?

Als das Ahrtal ein paar Monate vorher unter Wasser stand war der Nutzen des Rundfunks (vor allem des Radios, ob analog oder digital) in Krisensituationen deutlich geworden. Dabei waren Warnverfahren in der Ausschreibung bereits berücksichtigt worden. Als Teilziel des Modellversuchs wurde u.a. festgelegt:
Übertragung von Verkehrsmeldungen und Warnhinweisen: Entwicklung, Erprobung und Umsetzung der Eintastung der Meldungen sowie von Steuerungsmöglichkeiten durch die/den Veranstalter*in.
Zugunsten dieser Formulierung in der Ausschreibung könnte man Offenheit fürm künfigte Standards ins Feld führen. Das Fehlen des Kürzels „EWF“ überzeugt nicht als Grund für die Aufhebung der Ausschreibung.

Wann es weitergeht mit der Einführung von DAB+ für die Privatsender in Rheinland-Pfalz ist zunächst unklar. Angesichts der zu erwartenden Verzögerung des Sendestarts bis 2024 kann auch um das „Wie“ spekuliert werden: SDR und Small Scale sind in der Schweiz, England und etlichen Bundesländern längst im Sendealltag etabliert. Wozu braucht Rheinland-Pfalz, ohnehin ein „Spätzünder“ in Sachen DAB+, dann noch einen Modellversuch? Nichts sprach 2021 und spricht 2022 dagegen, einen Regelbetrieb auszuschreiben.

Konzentration auf Warntechnik

Die Ungereimtheiten des gesamten Vorgangs wurden durch die Kommunikation (genauer: die Nicht-Kommunikation) der MA RLP noch verschlimmert. Erst auf ausdrückliche Nachfrage von dehnmedia und anderen Redaktionen wurde die Entscheidung bekannt. Ein paar Tage später bestätigte sich die Versammlung der MA RLP per Presseinfo selbst eine positive Bilanz der gerade beendeten Amtsperiode.

Erst im Dezember 2022 beantwortete die Medienanstalt eine zweite Nachfrage von dehnmedia zum Thema. Die Medienanstalt sei mit Beteiligten im Gespräch. Wegen der Neubesetzung der Gremien bestehe weder ein Zeitplan, noch sei absehbar ob wieder ein Versuch oder der Regelbetrieb ausgeschrieben werden wird. Inhaltlich fokussiert die Medienanstalt weiter auf die Rolle des Rundfunks und speziell von DAB+ für den Katastrophenschutz:
Denn bei Gefahren- und Schadenslagen hat der Rundfunk durch seine Sendeinfrastruktur (exponierte Standorte, große Reichweiten, abgesicherter/abgeschirmter Bereich mit z.T. autarker Stromversorgung, robuste und redundante Signalzuführung, Möglichkeit des Gleichwellennetzes bei DAB+) eine hohe Bedeutung. Gleiches gilt beim Rundfunk auch mit Blick auf die „Empfängerseite“: Autoradios funktionieren auch bei langem Stromausfall, es gibt zahlreiche batteriebetriebene Empfangsgeräte und moderne DAB-Geräte mit intuitiver Nutzung, Möglichkeit der „Aufweck-Funktion“). Die Chancen, die EWF bei DAB+ für eine moderne Warninfrastruktur bietet, möchte die Medienanstalt RLP bestmöglich nutzen.
Daher prüft die Medienanstalt RLP derzeit unter anderem, welche technischen Vorgaben mit Blick auf diese neuen technischen Möglichkeiten künftig erfüllt werden müssen. Dies umfasst medienrechtliche Vorgaben, aber auch Abstimmungen über funktionierende Schnittstellen zwischen den Beteiligten, beispielsweise mit Blick auf den MoWaS-Meldeweg oder die Übermittlung der Warninhalte als CAP-Datei.
Things to come ...

Weitere Informationen:
Hier werden allgemeine Meldungen gelistet. Links zu Infos über Ausschreibungen, Aufschaltungen usw. finden sich auf den Senderseiten für Rheinland-Pfalz.
Wie geht es weiter in Rheinland-Pfalz? vom 21.12.2022.
MA stoppt DAB+-Ausschreibung. vom 21.9.2022.
Entscheidung über neue Muxe im September? vom 18.8.2022.
Entscheidung über RLP-Muxe wohl erst im Juli. vom 24.3.2022.
Radiogroup will DAB+-Plattformen betreiben. vom 11.3.2022.
Vier Bewerber für RLP-Versuchsplattform. vom 7.12.2021.
4 Small Scale-Gebiete in RLP ausgeschrieben. vom 5.10.2021.
Bekommt Rheinland-Pfalz eine Plattform? vom 5.10.2021.

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