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Die Säulen der Terrestrik | |
Nimmt man es ganz genau, ist der „terrestrische“ Rundfunk kein „terrestrischer“ - also: erdgebundener. Denn seit den Anfangszeiten des Rundfunks kommen das Radio und später das Fernsehen „durch die Luft“ zu Hörern bzw. Zuschauern. Ohne die Funktürme geht da sei 100 Jahren überhaupt nichts. Dieser Beitrag fasst Wissenswertes über terrestrische Sendeanlagen für Radio und Fernsehen zusammen.
Grundnetz oder Füllsender?
Die Techniker sprechen von Grundnetzsendern und Füllsendern. Erstere bilden die Basis einer großflächigen Versorgung mit Radio, Fernsehen und nicht öffentlichen Funkdiensten. Dort wird mit vergleichsweiser hoher Sendeleistung gearbeitet. Es kann aber sein, dass - nicht nur in bergigen Regionen - die Signale nicht überall in ausreichender Stärke empfangbar sind. Dann wird ein Füllsender errichtet, der mit geringer Sendeleistung in ein kleines unversorgtes Gebiet einstrahlt. Solche Anlagen wurden z.B. ab etwa 1970 mit Millionenaufwand errichtet, um als sogenannten Fernseh-Umsetzer Versorgungslücken zu schließen.
Für analoge Dienste - vor allem UKW - ist nur eine kleinzellige Versorgung möglich. Es braucht eine ganze Reihe Sendeanlagen mit einer für analoges Radio hohen Sendeleistung und gelgentlich weitere Füllsender. Alle Sender arbeiten auf unterschiedlichen Frequenzen, so dass schon für ballungsräume mehrere Frequenzen benötigt werden. Mit dem Aufkommen der privaten Programme ab den 1980er Jahren war das Potenzial an UKW-Frequenzen über kurz oder lang ausgeschöpft. So ist es dem Deutschlandradio unmöglich, einzig über UKW seine Aufgabe einer nationalen Versorgung zu erfüllen.
Digitaler Rundfunk: Effiziente Nutzung der Funk-Ressourcen
Bei der digitalen Übertragung für Radio und Fernsehen werden die Frequenzressourcen in mehrfachem Sinn effizient genutzt. So finden in einem Sendekanal (bzw. auf einer Frequenz) mehrere Programme Platz. Außerdem können mehrere Grundnetzsender zusammengeschaltet werden und versorgen eine größere Fläche über eine einzige Frequenz. In einem solchen Gleichwellenbetrieb kann sogar ein nationales Sendenetz betrieben werden. Das beste Beispiel ist Digitalradio mit dem DAB+-Bundesmux1 im Kanal 5C.
Eine andere Folge des Übergangs von eher kleineren analogen zu großflächigeren digitalen Versorgungsgebieten beschreibt die ARD so: „Während des Umstiegsprozesses auf DVB-T wurden schrittweise rund 600 analoge TV-Sender der öffentlich-rechtlichen und privaten Programmanbieter und mehr als 8. 700 Füllsender abgeschaltet.“ Man kann sich also vorstellen, dass auf diese Art Verbreitungskosten in Millionenhöhe eingespart werden konnten. Die Zahl von 562 verbliebenen TV-Sendestandorten dürfte sich aufgrund der Eigenschaften von DVB-T2 noch einmal reduzieren. Bereits bekannt ist, dass die Sendeanlagen Angelburg, Dequede, Sonneberg (Bleßberg), Saalfeld (Kulm) und Schöneck dann - zumindest für das Fernsehen mit DVB-T2 - nicht mehr benötigt werden.
Historisches: Warum wem welcher Turm gehört
Rundfunk-Sendeanlagen wurden in Deutschland seit 1923 von der Reichspost betrieben, deren Erbe 1949 die Deutsche Post auf DDR-Territorium übernahm. In der BRD waren zunächst ausschließlich die Landesrundfunkanstalten für Ihre Sendetechnik zuständig und verbreiteten Radio über alle Wellenbereiche und das Erste TV-Programm und das jeweilige 3. Programm selbst.
Das änderte sich nach dem 1. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1961. Es entschied, dass der terrestrische Sendebetrieb dem Bund obliegt. Daher stehen alle seither neu gebauten Sendeanlagen - egal ob für ARD/ZDF oder ab Mitte der 80er Jahre auch für private Radio- und Fernsehprogramme - im Eigentum des Bundes. Der Betrieb der Sendeanlagen wurde der Bundespost übergeben.
Nach der Wiedervereinigung übernahm die Bundespost die Sendeanlagen und deren Betrieb von der Deutschen Post der DDR.
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Die höchsten Fernsehtürme in Deutschland. Klickbar. Grafik: Wikipedia. |
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Die höchsten Fernsehtürme weltweit. Klickbar. Grafik: Wikipedia. |
Bauweisen
Die Deutsche Bundespost entwickelte für Stahlbeton-Türme ein System standardisierter Typentürme. Zahlreiche Sendetürme sind als Stahlkonstruktionen verschiedenen Bauweisen ausgeführt. Das betrifft u.a. Neubauten wie den 2012 in Betrieb gegangenen Turm nahe dem Magdeburger Hauptbahnhof oder den seit 2014 aktiven Mast in Rostock-Toitenwinkel.
Andererseits zeigt die bisherige Praxis, dass auch Gebäude oder andere Baulichkeiten als Senderstandorte genutzt werden können, sofern sie von der Ortslage, ihrer Höhe, den statischen Voraussetzungen usw. für die geplante
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Sendemast bei Würzburg. |
Versorgungsaufgabe geeignet sind. Ein Beispiel mit Geschichte ist schon seit den 1930er Jahren der UKW-Sender auf dem Fernamt Winterfeldtstrasse in Berlin-Schöneberg. Beispiele für lokale Radio- und TV-Netze mit alternativen Sendestandorten wurden bereits genannt.
Die Privatisierung der Rundfunknetze
Im Zusammenhang mit der Liberalisierung von Telekommunikation und Post bleibt es zunächst beim Grundsatz, dass der Bund für die Verwendung der Frequenzen zuständig ist. Zahlreiche Aufgaben, darunter die Verwaltung sämtlicher Frequenzressourcen (nicht nur für Radio und Fernsehen) wurde 1998 der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post übergeben. Diese ist seit 2005 auch für Energie und seit 2006 für die Eisenbahninfrastruktur zuständig. Daher wurde die Bezeichnung der Behörde in Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) geändert.
Die Grundstücke, Funktürme und weiteren Baulichkeiten der Senderstandorte wurden im Zuge der Privatisierung 2002 in die Deutsche Funkturm GmbH ausgegründet. Das Unternehmen ist eine Tochterfirma der Deutschen Telekom. Es vermietet die Aufstellflächen für die Sendetechnik und Montageplätze für Sendeantennen, versorgt alles mit Strom, Kühlung usw. Die DFMG ist daher, wenn auch indirekt - über die Antennenbesitzer und Sendetechnik-Partner - ein wichtiger Dienstleister der Rundfunkunternehmen.
Den Sendebetrieb übergab die Staatspost 1995 an die Telekom-Tochter T-Systens Media&Broadcast. Dieser Bereich wurde 2008 an die TDF-Gruppe verkauft. Das französische Unternehmen verkaufte den deutschen Sendenetzer 2016 an die Freenet AG. Das ist die Mutterfirma der Mobilfunkanbieter Mobilcom und Debitel.
Wer mit wem?
Infolge der Privatisierung sind zumeist mehrere Unternehmen in Sende-Dienstleistungen involviert. Auch wenn sich ein Programmveranstalter nur mit einem Funknetz-Betreiber vereinbaren muss, muss dieser die vom Standort-Besitzer kalkulierten Kosten weitergeben. Geht es nur um den Sendebetrieb, hat der Staatspost-Nachfolger Media Broadcast ein Beinahe-Monopol.
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Funktürme prägen nicht nur am Berliner Alex (oben) und in Hamburg (H.-Hertz-Turm) das Stadtbild. |
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Antennentausch am Münchner Olympiaturm. Fotos: MB. |
Das bricht allerdings zunehmend auf. In Leipzig wird seit 2008 das erste DVB-T Lowpowernetz (und weitere in Sachsen) von der Mugler AG und an fünf alternativen Sendestandorten auf Gebäuden betrieben. Die SGS Rundfunkgesellschaft plant Ähnliches ab November 2017 mit vier Sendeanlangen für den Raum Bautzen.
Beim Digitalradio verantworten oft Kooperationen oder Vereine den Sendebetrieb lokaler, regionaler oder landesweiter Multiplexe für private Anbieter. Ein Beispiel dafür ist Bayern Digital Radio. Dort entsteht ab 2017 ein System intensiver Zusammenarbeit: BDR liefert private Programme an den Bayerischen Rundfunk, der diese Privatradios wiederum von seinen Sendestandorten und in die BR-Multiplexe integriert ausstrahlt.
Ähnlich wie die lokalen DVB-T Netze können Sendeanlagen für Small Scale DAB+-Radio neue unabhängige Dienstleister ins Geschäft bringen. Das betrifft nicht nur den Sendedienstleister, sondern auch die Vermieter neuer Standorte für Sendeanlagen, die sich auf markanten Gebäuden im Stadtgebiet befinden können.
UKW: Deregulierung und Abschalt-Drohungen
Veranstalter von UKW-Programmen können seit 2016 einen Netzbetreiber eigener Wahl verpflichten. Das können externe Dienstleister wie Divicon oder Uplink Network sein. Die Radioveranstalter können ihre Sendetechnik aber auch selbst betreiben, wenn gewünscht.
Weil die Sendenetzbetreiber eine hoheitliche Aufgabe umsetzen, werden sie durch die Bundesnetzagentur kontrolliert. Das betraf u.a. die Preisgestaltung von Media Broadcast: Das Unternehmen kontrollierte Anfang 2017 rund 1400 Sendeanlagen für 110 Kunden. BNetzA hatte heftig in Preisforderungen eingegriffen. Das veranlasste die Freenet AG, wenige Tage später den Verkauf der UKW-Sendetechnik bekannt zu geben. Das sollte ursprünglich bis Ende April 2018 wirksam werden. Mehrere Medienanstalten hatten sich frühzeitig kritisch geäußert. Sie befürchteten u.a. Unterbrechungen des Sendebetriebes. Diese Bedenken wurden leider wahr. Einige branchenfremde Investoren, die einen großen Teil der UKW-Sendeantennen erworben hatten, drohten mit dem Abbau der Antennen, würden ihre überhöhten Preisforderungen nicht erfüllt. Das hätte Millionen Hörer in mindestens vier Bundesländer betroffen. Nach monatelangem Tauziehen wurden im Juni 2018 „Eckpunkte“ zwischen den Sendenetzern und den Antennenbesitzern vereinbart, die hoffentlich zu Verträgen führen.
Verkaufspläne
Die Deutsche Telekom versuchte 2007 vergeblich, ihre Funkturm-Tochter DFMG zu verkaufen. 2017 sollte ein Minderheitsanteil von 49 Prozent abgestoßen werden. Es handele sich um etwa 27.000 Standorte, die nicht nur für Radio und Fernsehen, sondern auch für Richt- und Mobilfunk und andere Dienste genutzt werden. Der Unternehmenswert wurde mit etwa fünf Mrd. Euro beziffert.
Der oben kurz angesprochene Antennenstreit war gerade vom Tisch, als neuerliche Verkaufspläne der Telekom für die DFMG bekannt wurden. Würden die Käufer genauso rücksichtslos vorgehen, wie die neuen Antennenbesitzer, wären alle terrestrischen Funkdienste betroffen: UKW, DAB+, DVB-T2 HD, alle Mobilfunkanbieter, Richtfunk, Bündelfunk und Notdienste (z.B. Polizeifunk). Am Ende einer Kette durchgereichter überhöhter Preise würden letztlich die Verbraucher die Zeche zahlen - über Mobilfunkveträge, den Rundfunkbeitrag und Steuern.
Die hinter solchen Verkaufsabsichten steckenden Strategien privater Unternehmen liegen allerdings gänzlich anders als die des folgenden Beispiels: Um den finanziellen Druck zu reduzieren trennte sich der WDR Anfang 2016 von 186 Sendemasten samt Grundstücken. Der deutsche Zweig der American Tower Corporation (ATC) soll eine zweistellige Millionensumme gezahlt haben. Dieses Unternehmen betreibt Sendestandorte für Mobilfunk in 13 Ländern.
Folgt der nächste Deal?
Die Absicht der britischen Vodafone-Mutter, 61.700 „towers“ in 10 Ländern Europas fit zum Verkauf zu machen, sorgte Mitte 2019 für Irritationen. Das größte Länderpaket betreffe Deutschland mit 19.300 Standorten. Allein die Zahl scheint auf Mobilfunk-Antennen hinzuweisen. Gleichwohl bleibt zunächst offen, ob auch Broadcast-Standorte dazu gehören.
Weitere Informationen:
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