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Rundfunkbeitrag: „Beitragsstabilität“ vs. Kaputtsparen | |
„Beitragsstabilität“ - dieses Dogma der politischen Kräfte droht, die Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio - also den Rundfunkbeitrag - zu einem populistischen Wahlkampfthema verkommen zu lassen. Dem KEF-Vorschlag für eine zweite Senkung des Monatsbeitrages ab 2017 folgten die Bundesländer nicht. Aber im Hintergrund laufen die Strategiedebatten um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Denn mit 17,50 Euro monatlich ist die Finanzierung allenfalls bis Ende 2020 gewährleistet. Danach könnten die bisherigen Sparmassnahmen zum Kaputtsparen gesteigert werden.
Bereits im Januar 2016 hatten eingeweihte Kreise durchsickern lassen, die KEF werde eine Reduzierung des Rundfunkbeitrag um 29 Cent auf 17,21 Euro monatlich ab 2017 vorschlagen. Im 20. KEF-Bericht vom April 2016 wurden daraus 30 Cent, im Jahr also bescheidene 3,60 Euro mehr für die Bierkasse. Diesem Vorschlag folgten die Bundesländer nicht und beließen es bei 17,50 Euro. Diese Entscheidung und ein weiterer Umstand haben Folgen, die weit über die laufende Vierjahres-Beitragsperiode von 2017 bis 2020 hinausweisen.
Üblicherweise schauen Politiker selten auf die mittel- oder gar langfristigen Auswirkungen ihres Tuns. Beim Rundfunkbeitrag ist das anderes. Die Bundesländer bestellten bei der KEF eine Vorausschau auf die nächste Beitragsperiode ab 2021. Die KEF ging von der unveränderten Aufgabenstellung aus und berücksichtigte die allgemeinen Kostensteigerungen. Das Ergebnis der Kalkulation: Eine Reduzierung des Beitrags hätte zur Folge, dass ab 2021 jährlich 500 Mio. Euro fehlen. Der Rundfunkbeitrag müsste auf mindestens 19,10 Euro erhöht werden. Darauf sollen die Medienpolitiker der Bundesländer geradezu „schockiert“ reagiert haben.
Privater GEZ-Ersatz für Sportevents
Um den Anschein der „Beitragsstabilität“ zu bewahren reaktivierten die Bundesländer zunächst eine Arbeitsgruppe, die letztlich die Aufgaben der Anstalten beschneiden sollte, um dann Kosten zu sparen. U.a. hatten die CDU und andere gefordert, die - zugegeben teuren - Kosten der Senderechte für internationalen Spitzensport zu streichen.
Tatsächlich lässt die Preistreiberei der internationalen Verbänder (Olympia, Fußball, Handball usw.) nicht mehr nur befürchten, dass internationaler Spitzensport aus dem frei empfangbaren Fernsehen verschwinden wird. Beispiele dafür sind die Handball-WM 2017, die Vergabe der Olympia-Senderechte ab 2018 und der im Mai 2017 erwartete Ausstieg des ZDF aus den Verhandlungen über die FIFA Champions League.
Die wirklich unanständigen Forderungen der Sportrechte-Agenturen machen einen regulatorischen Eingriff der Bundesländer überflüssig, um dem Privatfernsehen solche für die Refinanzierung attraktiven Programminhalte zuzuschanzen. Wenn die frei empfangbaren SDTV-Ausstrahlungen der Privaten in absehbarer Zeit beendet werden, gibt es deren Programme nur in HDTV. Und das ist auf allen Verbreitungswegen mit „Transportkosten“ belegt. Daran verdienen die Sender mit - eine Art GEZ-Gebühr zur Mitfinanzierung des Privatfernsehens.
Neue Arbeitsgruppe vermeidet Verfassungskonflikt
Spätestens da enthüllt sich die Strategie der Länderpolitiker: Die Zuschauer (und Beitragszahler) bekommen für den angeblich „stabilen“ Rundfunkbeitrag immer weniger und zahlen für die zu den Privaten verschobene Leistung noch extra. Für den Bürger ist das unterm Strich teurer als der angeblich „teure“ Rundfunkbeitrag.
Auf die am Sport-Beispiel beschriebene politisch verordnete Sparstrategie am Programm hat man auch verzichtet, weil das als Eingriff der Politik ins das Programm verfassungsrechtlich unzulässig ist. Zu erinnern ist an das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2007: „Die Festsetzung der Rundfunkgebühr (heute: Rundfunkbeitrag, dehnmedia) muss frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen.“ Und an anderer Stelle formulieren die Richter: „Programmliche und medienpolitische Zwecke scheiden in diesem Zusammenhang aus“. Oder noch deutlicher: Die Politik darf sich in die Gestaltung der Programme nicht einmischen - schon gar nicht, indem am Geldhahn gedreht wird.
Vor diesem Hintergrund installierten die Bundesländer die neue Arbeitsgruppe „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunkanstalten“. Sie gibt die Richtung für ein Strategiepapier vor, das im Herbst 2016 vorliegen sollte. Dessen Fertigstellung ist nun für September 2017 angekündigt. Ziel sei es, Synergien und Sparpotenziale festzustellen, die sich z.B. durch anstaltsübergreifenden Einsatz digitaler Techniken ergeben könnten.
Künstlich erhaltene „Beitragsstabilität“ - kaputtgesparte Anstalten?
Die Politiker der Bundesländer wollen mit allen Mitteln eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages verhindern. Seit 2009 sind Rundfunkgebühr bzw. (ab 2013) der Rundfunkbeitrag stabil bzw. wurden sogar gesenkt. Man weiß natürlich, dass die Fernseh- und Radioproduktion wie jede andere Wirtschaftsbranche von Teuerungen betroffen ist. Das wird ignoriert, wenn es um den Rundfunkbeitrag geht.
Anfang Mai 2017 schlug Intendant Thomas Kleist beim Rundfunkrat des Saarländischen Rundfunks Alarm. Er warnte vor der drohenden Verschlechterung der Finanzen des SR. Das geschehe aber ohne eigenes Verschulden. Hier eine Zusammenfassung der Argumentation.
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Ursachen der finanziellen Misere sind „die negative Entwicklung der Beitragseinnahmen im Saarland sowie Forderungen aus der Politik nach Beitragsstabilität über das Jahr 2020 hinaus“. Laut Kleist fehlen dem SR wegen sinkender Beitragseinnahmen bereits jetzt 3 Mio. Euro jährlich. „Während der Verbraucherpreisindex seit 2000 um 27 Prozent gestiegen ist, wuchsen die Einnahmen des SR im gleichen Zeitraum nur um acht Prozent.“
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Träfen die Signale aus der Politik zu, dass der seit 2009 nicht erhöhte Rundfunkbeitrag auch nach 2020 nicht steigen wird, „muss der SR dennoch allgemeine preis- und tarifbedingte Kostensteigerungen bewältigen. Auch der erfolgreich verhandelte, neue ARD-interne Finanzausgleich wird in diesem Fall nicht ausreichen, diese Einnahmeausfälle zu kompensieren.“ Der SR, der bereits ein Drittel des Personals abgebaut und am Programm gestrichen habe, werde dann erneut kräftig einsparen müssen.
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Den Rotstift setzt der Saarländische Rundfunk daher vorsorglich schon 2018 an. Die vorgezeogene Abschaltung der TV-Verbreitung in SDTV und die Reduzierung der UKW-Sendeanlagen (hier u.a. wohl der angemieteten Sender Saarbrücken Schoksberg für Unser Ding) sind nur kleine Beispiele. Kleist muss massiv am Programm streichen. Das trifft u.a. die Hörspielen und den weihnachtlichen ARD-Märchenfilm ebenso wie Sport- und Kulturevents. Die Radio-Nachrichten am Nachmittag sollen einheitlich werden.
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Allen Rundfunkanstalten wird ein heftiger Sparkurs auferlegt. Beim Saarländischen Rundfunk, einer der kleinen ARD-Anstalten, wird das nur zuerst und drastischer deutlich, als z.B. bei WDR oder NDR. Mag sein, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten an vielen Stellen wirtschaftlicher arbeiten können. Das vom Intendanten Kleist beschriebene Szenario deutet einen Zwang zum Kaputtsparen an.
Dass die politisch Verantwortlichen in den Bundesländern dafür kompetent sind, stellen sie täglich bei den öffentlichen Diensten unter Beweis.
Vor dem 21. KEF-Bericht
Die Strategie der „Beitragsstabilität“ benutzt die aus dem Systemwechsel zum Rundfunkbeitrag resultierenden Mehreinnahmen, um den Rundfunkbeitrag trotz allgemeiner Teuerungen sogar noch zu senken. Besagte Mehreinnnahmen - 1,3 Mrd. Euro aus den Jahren 2013 bis 2016 - durften nicht ausgegeben werden. Sie wurden in der Kalkulation für 2017 bis 2020 als Einnahmen gebucht. Die Kostensteigerungen werden aus diesem Geldberg finanziert, während der Rundfunkbeitrag künstlich „stabil“ gehalten wird. Für die vier folgenden Jahre ab 2021 wird der Geldberg jedoch kleiner, den die Anstalten vor sich herschieben müssen. Es ist absehbar, das und wann das populistische Prinzip „Beitragsstabilität“ gescheitert ist. Ab 2021 ist gemäß der Vorausschau der KEF mit einem erheblichen Anstieg des Rundfunkbeitrags zu rechnen - möglicherweise übersteigt der dann 19 Euro.
Im 20. Bericht ging die KEF noch von einem zwischen 2017 und 2020 anfallenden Überschuß aus. Dieser Geldberg von 542,2 Mio. Euro wurde auf 2021 bis 2024 verschoben. Der Betrag entspricht übrigens 30 Cent, wenn er auf Monatsbeiträge umgerechnet wird.
ARD, ZDF und D-Radio übermittelten im April 2017 ihre überarbeiteten Budget-Planungen für den Zeitraum von 2017 bis 2020 an die KEF. Die Kommission wird auf dieser Grundlage - wahrscheinlich im April 2018 - ihren 21. Bericht als Zwischenbereicht vorlegen. Wie immer wurden einige Zahlen vorab bekannt. Am Beispiel der ARD lassen sich Tendenzen ablesen:
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Bis 2020 kommen für die ARD 233 Mio. Euro weniger aus dem Rundfunkbeitrag herein, als im 20. KEF-Bericht (und damit in der Kalkulation für 2017 bis 2020) vorgesehen. Das hat u.a. mit der rückwirkenden Verrechnung von nachträglich eingetriebenen Beitragseinnahmen zu tun.
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Die Werbereduzierung beim WDR-Radio wirkt sich mit weiteren 81 Mio. Minus-Euro aus. Aufgrund entfallender Verbundwerbung ist nicht nur der WDR betroffen.
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Die ARDgeht von einem Einnahme-Überschuß bis 2020 von 242 Mio. Euro aus. Weil aber 381 Mio. Euro für die nächste Beitragsperiode ab 2021 anzusparen sind entsteht unterm Strich ein Fehlbetrag von 139 Mio. Euro.
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Alle Anstalten setzen den ihnen von der KEF auferlegten Stellenabbau fort. Zwischen 2017 und 2020 sollen laut dem 20. KEF-Bericht 662 Stellen entfallen, davon 545 bei der ARD, 100 beim ZDF und 17 beim Deutschlandradio.
Die ARD wird bis 2020 und seit 1993 übrigens rund 4.900 bzw. 20 Prozent der Stellen abgebaut haben.
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Die „Beitragsstabilität“, derer sich die Landespolitiker gern rühmen, erweist sich bei näherer Betrachtung als Haushalts-Trick und Fiktion.
Sollen ARD, ZDF und Deutschlandradio ihre bisherigen Aufgaben auch über 2020 hinaus ausführen, muss z.B. die allgemeine Kostenentwicklung berücksichtigt werden. Der KEF-Vorsitzende Heinz Fischer-Heidlberger lobte in einer MDR-Sendung im April 2017 die Sparanstrengungen der Rundfunkanstalten. Dann deutete er die Perspektive an: „Aber es gibt natürlich auch durch die Technikveränderungen, durch die Ausdehnung der Mediatheken und Telemedien zusätzliche Aufwendungen. Alles muss finanziert sein.“ Dann könnte der Rundfunkbeitrag ab 2021 noch höher als die bisher in Rede stehenden monatlichen 19,10 Euro angesetzt werden.
Das Märchen von den „40 Prozent“
Aufzuräumen ist einmal mehr mit der Behauptung, die drei Anstalten würden nur 40 Prozent ihrer Etats für das Programm aufwänden, der Rest wären unnötige Personalkosten. Tatsächlich weisen die Unterlagen der KEF einen Posten für den „Programmaufwand“ auf. Und der umfasst tatsächlich etwa 40 Prozent der Ausgaben. Dazu gehören die Kosten des Erwerbs von Senderechten (z.B. Sport) und Sendungen, die bei externen Firmen - beispielsweise Filmproduzenten - beauftragt oder mit ihnen koproduziert werden. Viele Programmteile - z.B. Nachrichtenbeiräge - werden von fest angestellten Mitarbeitern oder Freiberuflern hergestellt. Deren Bezüge finden sich naturgemäss in den Personalkosten.
Die KEF berechnet auch den Verwaltungsaufwand der Sendeanstalten. Der ARD wird ein Verwaltungsaufwand bei 3,7 Prozent bescheinigt. Soll heißen: Die ARD investiert 96,3 Prozent ihrer Einnahmen in die Fernseh- und Radioprogramme. Diese Zahl lassen interessierte Kreise bei ihrem „ÖR-Bashing“ gern unter den Tisch fallen.
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